Otto Ubbelohde als Maler in seiner Zeit

Vortrag, gehalten von Andre Manecke am 1. 3. 2003 im Marburger Universitätsmuseum
anlässlich der Ausstellung "Otto Ubbelohde - Kunst und Lebensreform um 1900
 

Im Folgenden erhalten Sie einen Eindruck von den ersten, leicht gekürzten Passagen
des Vortrags. Das komplette Manuskript mit 24 Seiten und 40 Abbildungen (vielfach
unveröffentlichtes Material aus Ubbelohdes malerischem Nachlass) können Sie bei mir
telefonisch (06461-88481) oder per email (s.u.)gegen einen Unkostenbeitrag von 10 € bestellen.


 



 
 
 
 
 

Einleitung
Wir wollen uns heute auf die Suche nicht nach dem Grafiker Ubbelohde , der vor allen durch seine Illustrationen zu den Grimmschen Märchen über-
regionale Bekanntheit erlangte, begeben, sondern ganz dezidiert dem Maler  Ubbelohde nachspüren. Das mag zunächst einmal überflüssig erscheinen, ist er doch hier in der Ausstellung erfreulich präsent.
Aber eine Würdigung seiner Malerei in so ausführlicher Form ist ihm zu Lebzeiten nur einmal zuteil geworden, und auch für die 80 Jahre seit seinem frühen Tod kann man die Ausstellungen praktisch an einer Hand abzählen.

Die Kunstgeschichte hat  ihn lange übersehen – wir werden nachher noch fragen, warum - und er selbst hat sich wohl als Maler auch nicht so recht gefunden oder vielmehr finden können, zumindest fehlte ihm dafür die Zeit:
man kennt seine Klagen, dass er immer nur Türmchen und Männerchen kritzeln muss für seine Auftrags-
arbeiten, dass die ganze  Exlibrissammlerei (durchaus eine seiner wesentlichen Einnahmequellen)eigentlich eine Pest sei und Vielerlei in dieser Art. Daraus wird immer wieder deutlich, dass er die Malerei mehr als sein eigentliches Metier angesehen haben muss, und somit  geraten wir ja heute bei unserer Suche vielleicht auch etwas auf die Spur des "wahren" Ubbelohde.

Ergänzend will ich dann versuchen, Ubbelohde im Rahmen der Malerei seiner Zeit zu schildern und wir wollen uns beispielsweise die Frage stellen:

welche Malerei lernt Ubbelohde als junger Akademieschüler kennen,
wer sind seine Lehrer und was malen sie
wir werden immer wieder einen Seitenblick werfen auf das, was seine Zeitgenossen malten, die um 1867 geborenen,
und einen diskreten Blick in seine Werkstatt tun auf unvollendet gebliebene Skizzen,
wir fühlen dann mit ihm beim Scheitern des ehrgeizigen Projektes der „Frau in weiß“ und fragen zum Schluß:
warum denn ausgerechnet Goßfelden?

Warum er lange unbekannt geblieben war als Maler, das fragte ich mich Ende der 70er Jahre, als ich nach einem Dissertationsthema suchte. Bezeichnenderweise kannte ich den Namen Ubbelohde aus der Literatur zur Kunst der Jahrhundertwende überhaupt nicht. 
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Außerdem – mit seinem frühen Tod fiel das malerische Werk, das gerade erst angefangen hatte, bekannt zu werden, in einen Dornröschenschlaf.  Ubbelohde war nicht kontinuierlich genug mit seinen Gemälden in die Öffentlichkeit gegangen, es gab -neben Beteiligungen an bedeutenden Ausstellungen immerhin auch in den Metropolen - nur eine große Einzelausstellung 1912 in Gießen.
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Auch wenn Ubbelohde nicht so kontinuierlich malen durfte wie er gerne getan hätte- er hat eine enorme Anzahl Gemälde hinterlassen, wohl 700 werden mittlerweile gezählt, von denen  allerdings mindestens zwei Drittel  als mehr oder weniger skizzenhaft  anzusprechen sind.
Fehlende Datierungen der Gemälde durch Ubbelohdes eigene Hand erschweren eine zeitliche Betrachtung des Werkes ebenso wie der Zustand der Durcharbeitung, -
wir wollen heute den Versuch unternehmen, wenigstens in großen Zügen unterschiedliche Phasen zu identifizieren. 

Werfen wir zunächst einen Blick auf seine Zeit, das ausgehende 19. Jahrhundert:
 

Auguste Renoir, "Die Schaukel"  1876

Wir denken bei dieser Epoche an die Impressionisten, Monets sonnendurchflutete Felder, oder wie hier Renoirs Szenen unter dem lichten Blattwerk, durch das Sonnenflecken auf die Personen fallen. Hier ein frühes Bild, typisch das momenthafte, bewegte Motiv, das flirrende Sonnenlicht, blaue Schatten vom atmosphärisch erfassten Freilicht.

Aber war das auch die Malerei, die Ubbelohde kennenlernte, als er ab 1884 die Kunstakademie in München besuchte? War das damals die bekannte und erfolgreiche Kunst, die in den großen Ausstellungen hing, in den jährlichen Salons, die über den beruflichen Erfolg eines Malers entschieden? 

Nein, in Frankreich waren  gerade die ersten Skandale um die frühen Impressionisten vorbei und deren Kunst war noch kaum in Deutschland zu sehen.

Kaiser Wilhelm 2. hatte angekündigt, die Freilichtmaler  würden es unter ihm schwer haben, gut hatten es die Maler der großen Historienbilder,  wie hier der spätere Leiter der Berliner Kunstakademie Anton von Werner:


  Im Etappenquartier vor Paris 1870, gemalt 1894

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Ubbelohdes Akademiezeit


 






Einer der ganz großen Historienmaler (Piloty) hatte die eine Schule an der Münchner Akademie geprägt, die andere wesentliche Schule dort war die des populären Wilhelm von Diez und seiner Schüler,

(Fortsetzung)


Wilhem von Diez "Troßzug der Landsknechte"

Diez' Schule stand eher in der Tradition Menzels, also eines gemäßigten Naturalismus, durchaus mit Verständnis für die Freilichtmalerei. 
Unter dieser ist nun nicht etwa "Impressionismus" zu verstehen, sondern überhaupt, dass man für die (Landschafts)malerei wenigstens einmal das Atelier verlässt und das wirkliche Licht in der Natur beobachtet, nicht nur nach kompositionellen Gesichtspunkten konstruiert und mit Modellen ausstaffiert. 

Aber Sie sehen, wenn dies hier schon für die damalige Zeit in München fortschrittlich war, dann kann man so ein bißchen  die Entrüstungs-Stürme verstehen, die die frühen Impressionisten auslösten – sie galten einfach als dilettantisch, das waren keine Akademieschüler, die perfekt und detailliert zeichneten.
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Und so lernt Ubbelohde in München zunächst praktisch ausschließlich die akademische Tonmalerei kennen – keine komplementären Farbkontraste, (wie bei Renoir orange-blau) sondern eine gebrochene Farbigkeit, keine reinen Farben, aber innerhalb eines Farbtons äußerste Nuanciertheit:


Ubbelohde:  Studie aus der Akademiezeit

Wir sehen hier, wie Räumlichkeit und Licht ganz durch Hell-Dunkel Wirkungen, nicht durch Farbigkeit erzielt werden.
Die akademische Tonmalerei konnte durchaus farbig sein, dies aber ganz auf die Lokalfarbe des Gegenstands begrenzt. Sie nimmt keine Umgebungsfarbe auf, - ganz anders eben die impressionistische Farbigkeit, die z B das Blau des Himmels in den Schatten der Kleidung usw einfängt.
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Dies ist einer der frühesten Landschafts-Versuche Ubbelohdes, um 1889, dem  Jahr, wo er sich erstmals in Worpswede aufhielt, also das Studium im wesentlichen abgeschlossen hatte, und erst um diese Zeit hat er offenkundig vermehrt mit solchen Studien begonnen.
U selbst sagt später, er habe von seinen Akademielehrern eine große Scheu vor starken Farben geerbt und seine ersten Landschaften bewegen sich auch farblich kaum weiter als in diesen silbrigen bewölkten Himmelstönen und der schwärzlichen grünen Landschaft.
 
 



Einflüsse auf den jungen Maler


 






Im München findet die Begegnung mit französischer Kunst spät statt, eher ist es für den jungen Maler Ubbelohde möglich, die Werke der Dachauer Malergruppe zu sehen.
In Dachau hatte  die deutsche Freilichtmalerei einen ihrer Ursprünge: die Entdeckung der Landschaft als eigen-
ständiges Bildmotiv.
Dachau wurde im 19. Jahrhundert, begünstigt durch seine Lage vor den Toren Münchens, zum beliebten Treffpunkt der Landschaftsmaler. Prägend für die zweite Jahrhunderthälfte wurden Adolf Lier und Wilhelm von
Diez. (Landsknechte).
Diese Tradition von Landschaftsmalerei war in seinen Lehrjahren für Ubbelohde sicher viel präsenter als die französische Malerei, die erst ganz allmählich in München gezeigt und wahrgenommen wurde und deren Rezeption auch immer wieder durch nationalistische Tendenzen erschwert wurde.
Durchaus anregend und lehrreich müssen auch vor allem die beiden späteren  Worpswede-Besuche gewesen sein, 1893, 94 -  wo die frisch und spontan gemalten Landschaftseindrücke der Worpsweder ihn sicher beeindruckten.
Wir sehen hier den flachen Farbauftrag wie in der Tonmalerei, nur gelegentlich brechen farbige Zonen in die braun- grau- umbafarbenen Schatten ein, und das bleibt auch längere Zeit noch so.

Ubbelohde  Studie aus Worpswede 1893/94
 


 

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